Ulrike M. Dierkes, Autorin und Journalistin, sowie Vorsitzende des M.E.L.I.N.A Inzestkinder e.V. führte für Inzestopfer und Inzestkinder das nachfolgende Interview mitDr. Christine Luckenbach (Humangenetikerin) im IHA, Institut
für humangenetische Analytik, Tübingen
Dierkes: „Frau Dr. Luckenbach, was macht ein Institut für
humangenetische Analytik?“
Dr. Luckenbach: In unserem Institut werden Fragenkomplexe, die sich mit der Klärung von
Verwandschaftsverhältnissen beschäftigen, beantwortet.
Hierzu gehören beispielsweise Vaterschaftstests,
Zwillingsnachweise, Geschwisteruntersuchungen und
Abstammungsuntersuchungen unterschiedlichster verwandschaftlicher
Zugehörigkeit.
Dierkes:“Kann jeder Mensch Ihr Institut kontaktieren?“
Dr. Luckenbach: Ja.
Dierkes:„Welche Personengruppe nimmt Kontakt zu Ihrem Institut
auf?“
Dr. Luckenbach: Gerichte, Jugendämter, Botschaften,
Ausländerbehörden und natürlich viele Privatpersonen
(Mütter, Väter, Kinder, Grosseltern, Geschwister...)
Jugendämter und Gerichte beauftragen uns mit
Vaterschaftsgutachten, Botschaften und Ausländerbehörden
mit Familienzusammenführungen aus der gesamten Welt. Die
Beauftragung von Privatpersonen ist vielfältig:
Aussergerichtliche Vaterschaftsgutachten , Klärung der eigenen Abstammung, Nachweis von Inzest,
Spendersuche bei bestimmten Krankheiten und Erbschaftsfragen.
Dierkes:„Eine Person möchte ihre Abstammung klären
und sich diesbezüglich beraten lassen. Was können Sie
raten?“
Dr. Luckenbach: "Diese Person sollte darauf achten, dass sie ein Labor beauftragt,
das das KFQA-Siegel besitzt. Eine Kommission zur Feststellung der
Qualifikation von Abstammungsgutachtern (KFQA) vergibt dieses
Zertifikat (www.KFQA.de) entsprechend den Richtlinien der Bundesärztekammer und des
Robert-Koch-Instituts und prüft die Qualität der
praktischen Laborarbeit und die Qualifikation der
Sachverständigen
Dierkes: „Was ist unbedingt erforderlich?“
Dr. Luckenbach: "Eine Probe der zu untersuchenden Person."
Dierkes:„Wie ist die alltägliche oder praktische
Herangehensweise?“
Dr. Luckenbach:"Dass sich die entsprechende Person an uns wendet, wir diese Person
individuell und profesionell beraten und ihr dabei behilflich sind,
ihre spezifischen Fragen zu klären..
Dierkes: „Angenommen ein Mensch hat eine zunächst
unbegründete Ahnung, Zweifel oder einen vagen Verdacht bzgl.
seiner Abstammung. Allgemein oder auch konkret fallbezogen. Was
würden Sie einem solchen Menschen raten?“
Dr. Luckenbach:"Aus unserer Erfahrung kann ich berichten, dass aufkommende Zweifel
an der eigenen Abstammung eine sehr bestimmende Kraft entwickeln
und immer wieder zurückkehren. Trotzdem sollte man sich vorher
überlegen, wie man die unterschiedlichen
„Abstammungsergebnisse“ verkraftet. Für die
meisten Personen ist laut der Aussage der Betroffenen eine
Klärung insofern wohltuend, dass man sich endlich eindeutig
damit auseinandersetzen kann.
Dr. Luckenbach:„Es gibt ja sicherlich verschiedene Aufgabenstellungen
oder auch Konstellationen, mit denen Sie täglich konfrontiert
werden. Was ist die häufigste Fragestellung?“ Die häufigste Fragestellung ist die nach der Vaterschaft.
Dierkes: „Sicherlich erfahren Sie begleitend und
zwangsläufig viele Schicksale. Gibt es eines, an das Sie sich
besonders gut erinnern können? Das Sie einfach nie vergessen
haben?“
Dr. Luckenbach: Ja, da gibt es sehr viele.
Dierkes: “Wurden Sie in Ihrem Institut auch schon mit
Manipulationsversuchen konfrontiert, sei es, dass jemand das
Ergebnis verhindern oder gar verfälschen wollte, weil durch
das Ergebnis Unannehmlichkeiten zu erwarten waren?“
Dr. Luckenbach:"Ja."
Dierkes: "Was kostet das günstigste Abstammungsgutachten? Oder
DNA-Analyse?"
Dr. Luckenbach: "450-. Euro für die Untersuchung von einfachen Mutter, Kind und
Mann-Fällen. Liegen der Klärung der Abstammung komplexe
Verwandschaftsverhältnisse zugrunde, z. B. bei
Inzestfällen oder steht die zu untersuchende Person nicht zur
Verfügung (Defizienzfälle) muss der Untersuchungsumfang
erweitert werden, was auch die Kosten erhöht ( mind.
360.—Euro pro Person)."
Dierkes: Was halten Sie davon oder halten Sie es für möglich,
einem Neugeborenen die Daten seiner Abstammung bereits mit auf den
Weg geben zu können? Wäre dies eine vorstellbare und
praktizierbare Lösung, durch die sich viele Lücken
bereits schließen oder auch Verbrechen aufdecken
ließen, bevor solche verjährt wären?
Dr. Luckenbach: "Es ist auf jeden Fall prinzipiell und ohne grossen Aufwand
möglich, Neugeborenen ihre Abstammung mit auf den Weg zu
geben. Die Vor- und Nachteile einer solchen Lösung müssen
gut abgewägt werden. Sicherlich können aufwendige,
schleppende und verjährte „Verfahren“ auf diese
Weise umgangen werden und Inzucht schneller nachgewiesen werden.
Auf jeden Fall hat jeder Mensch das Recht auf Kenntnis seiner
Abstammung."