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Ausgewählter Beitrag

Opferschutz und Opferrechte



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Thomas Eschle


">Fachbeirat im Vorstand

des

M.E.L.I.N.A Inzestkinder/Menschen aus VerGEWALTigung e.V.



Opferschutz und Opferrechte am Beispiel Inzest

von Thomas Eschle, Rechtsanwalt, Stuttgart


Opfer haben zivilrechtliche, strafrechtliche und sozialrechtliche Ansprüche :


A. Strafverfahren


Der Staat stellt Inzest unter Strafe


§ 173 StGB
Beischlaf zwischen Verwandten


(1) Wer mit einem leiblichen Abkömmling den Beischlaf vollzieht, wird mit

Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.


(2) Wer mit einem leiblichen Verwandten aufsteigender Linie den Beischlaf vollzieht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft; dies gilt auch dann, wenn das Verwandtschaftsverhältnis erloschen ist. Ebenso werden leibliche Geschwister bestraft, die miteinander den Beischlaf vollziehen.


(3) Abkömmlinge und Geschwister werden nicht nach dieser Vorschrift bestraft, wenn sie zur Zeit der Tat noch nicht achtzehn Jahre alt waren.


Ein Sonderproblem bei § 173 war früher die Verjährung.


Die Verjährungsfrist für diese Vergehen beträgt fünf Jahre (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, § 173 Abs. 1, 74 Abs. 1 StGB). Da viele Kinder Opfer sind war früher die Verjährung ein Problem. Wichtig für minderjährige Opfer ist, dass die Verjährung für Sexualstraftaten bis zum 18. Geburtstag ruht. Damit beginnt die Verjährung erst ab diesen Tag zu laufen. Diese Regelung ist durch das 30. Strafrechtsänderungsgesetz eingeführt worden und am 23.6.1994 in Kraft getreten.


Einzelne Schritte der Opfer


  • Strafanzeige gegen den Täter
  • Ermittlungsverfahren gegen den Täter
  • Vernehmung des Opfers als Zeugen und anderer Zeugen, ggf. Zeugenschutz
  • Anklageerhebung durch die Staatsanwaltschaft,
  • Hauptverhandlung vor dem Strafgericht, ggf. Zeugenschutz, ggf. Videoaufzeichnung,
  • ggf. ist Opfer Nebenkläger, Anwalt des Opfers beantragt Zulassung der Nebenklage. Dem Opfer kann ein Anwalt beigeordnet werden
  • Verurteilung, ggf. mit an die Haft anschließender Sicherheitsverwahrung des Täters (§ 66 StGB).


Besonderheiten für die Opfer im Strafprozeß. Der Strafprozeß ist ja in erster Linie eine staatliche Maßnahme gegen Täter.


Beispiele für Opferrechte in der Strafprozessordnung :


 



§ 403 StPO Entschädigung; Adhäsionsprozeß






(1) Der Verletzte oder sein Erbe kann gegen den Beschuldigten einen
aus der
Straftat erwachsenen vermögensrechtlichen Anspruch, der zur
Zuständigkeit der
ordentlichen Gerichte gehört und noch nicht
anderweitig gerichtlich anhängig
gemacht ist, im Strafverfahren geltend
machen, im Verfahren vor dem
Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Wert des Streitgegenstandes.






§ 68b StPO

Beiordnung eines Rechtsanwalts für Zeugen








B. Zivilrechtliche Ansprüche :


Bis 5000,-- EUR können Ansprüche vor dem Amtsgericht geltend gemacht werden, über EUR 5.000,-- EUR vor dem Landgericht.


Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den Täter


Der Anwalt und Gerichtskosten werden bezahlt durch eine Rechtschutzversicherung, wer keine Rechtschutz hat, bekommt soweit er bedürftig ist Prozeßkostenhilfe.


Ziel des Gerichtsweges ist dann ein vollstreckbarer Titel. Damit kann der Gerichts- vollzieher das Geld beitreiben, wenn Täter nichts hat muss dieser eine eidesstattliche Versicherung abgeben. Man kann auch z.B. mit anwaltlicher Hilfe auch eine Pfändung des Arbeitseinkommen des Täters erwirken.


Der vollstreckbare Titel gilt 30 Jahre, so lange kann man vollstrecken.


Was macht man wenn Täter kein Geld hat ?


Die vom Land Baden-Württemberg errichtete Landesstiftung Opferschutz hat ihre Tätigkeit im Sommer 2001 aufgenommen. Anträge auf Unterstützung können bei der Stiftung oder bei den Außenstellen des Weißen Rings in Baden-Württemberg gestellt werden.


Die Stiftung kann Leistungen in der Regel nur gewähren, wenn zuvor der Täter wegen der Tat strafgerichtlich verurteilt worden ist und das Opfer gegen den Täter einen entsprechenden zivilrechtlichen Titel erwirkt hat.


 

Die Landesstiftung kann Hilfe für Opfer von Gewalttaten durch eine finanzielle Zuwendung gewähren. Diese beträgt bis zu 25.000 Euro für materiellen Schadensausgleich, in besonderen Ausnahmefällen sogar bis zu 50.000 Euro, und bis zu 10.000 Euro für Schmerzensgeldersatz. Eine Unterstützung können auch Angehörige und Hinterbliebene des Tatopfers erhalten, wenn sie von den Folgen der Straftat betroffen sind.


C. Sozialrechtliche Ansprüche


Neben dem Landesrecht gibt es noch ein Opferentschädigungsgesetz nach Bundesrecht.


Nach dem Opferentschädigungsgesetz erhält unter anderem derjenige auf Antrag eine Versorgung, der infolge eines vorsätzlichen rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Erforderlich ist danach neben anderen Voraussetzungen ein tätlicher Angriff, also eine unmittelbare Einwirkung auf den Körper eines anderen. Zuständig ist das Sozialgericht.



Opferentschädigung für Inzest-Kind


§ 1 des Gesetzes über die Entschädigung für Opfer von Gewalttaten (OEG) erfasst nach seinem Wortlaut zwar nicht Personen, die gleichzeitig mit dem schädigenden Ereignis gezeugt werden. Dies stellt aber eine planwidrige Gesetzeslücke dar. Sie ist im Wege der Rechtsfortbildung zu schließen, so dass einem Kind Opferentschädigung zusteht, das aus einem gewaltsam erzwungenen Inzest hervorgegangen ist, wenn die bei ihm bestehenden Gesundheitsstörungen darauf beruhen. Das hat das Bundessozialgericht jetzt entschieden.



Wer hat Anspruch auf Versorgung nach dem OEG?


Jede(r), die/der Deutschland, Opfer einer Gewalttat geworden ist und dadurch einen körperlichen, geistigen oder seelischen Schaden erlitten hat.

Auch für Hinterbliebene (Witwen, Witwer, Waisen, Eltern) des Opfers, wenn eine wirtschaftliche Abhängigkeit zum Opfer bestand..

Welche Leistungen stehen im Rahmen des OEG zu?


Der Umfang der Versorgung richtet sich nach den Vorschriften des Bundesversorgungsgesetzes (BVG). Sie umfaßt insbesondere:



  • Heil- und Krankenbehandlung,
  • Beschädigtenrente, wenn die gesundheitliche Schädigung zu einer nicht nur vorübergehenden Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um mindestens 25 v. H. führt,
  • Sterbegeld,
  • Bestattungsgeld,
  • Hinterbliebenenversorgung für Witwen, Witwer, Waisen, Eltern bei wirtschaftlicher Abhängigkeit zu dem Opfer.
  • Hinterbliebenenversorgung
  • Schmerzensgeld wird nicht gezahlt. Auch Sach- und Vermögensschäden können nicht ersetzt werden.


D. Exkurs:

Sexualstraftaten in Deutschland ein Überblick


In der Bundesrepublik Deutschland gelten jegliche sexuelle Handlungen an, mit oder vor Kindern als sexueller Missbrauch. Als Kinder gelten Personen vor dem vollendeten 14. Lebensjahr. Geschützt ist die "ungestörte sexuelle Entwicklung des Kindes" bzw. "von vorzeitigen sexuellen Erlebnissen ungestörte Gesamtentwicklung des Kindes" . Somit liegt sexueller Missbrauch von Kindern unabhängig von der Anwendung von Gewalt sowie vom Alter des Täters vor.

Bestraft wird überwiegend nach § 176 StGB (Sexueller Missbrauch von Kindern). In Konkurrenz zu § 176 StGB stehen auch § 173 StGB (Beischlaf zwischen Verwandten), § 174 StGB (Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen), § 177 StGB (Sexuelle Nötigung, Vergewaltigung), § 179 StGB (Sexueller Missbrauch widerstandsunfähiger Personen), § 182 StGB (Sexueller Missbrauch von Jugendlichen, §183 StGB (Exhibitionistische Handlungen) und §184 StGB Abs. 3, Nr. 3 (Herstellung kinderpornografischer Schriften).



 

In der Bundesrepublik Deutschland kommen jährlich etwa 15.000 Fälle sexuellen Kindesmissbrauchs (§ 176 StGB) zur Anzeige (Polizeiliche Kriminalstatistik) bei etwa gleichbleibender Tendenz sowie gestiegener Anzeigebereitschaft in den letzten Jahren (Stand 2002). Insgesamt gesehen sind die Fälle leicht rückläufig.



Im Jahre 2001 wies die Statistik 19.230 angezeigte Opfer sexuellen Kindesmissbrauchs auf. Davon waren 77 Prozent weiblich und 23 Prozent männlich. Die überwiegende Mehrzahl (rund 91 Prozent) war zwischen sechs und 14 Jahre alt. Bei den Tätern handelte es sich in 97 Prozent der Fälle um männliche Personen. Sie waren vornehmlich in den Altersgruppen zwischen 14-18, 21-25 und 30-40 Jahren zu finden. Die Aufklärungsquote (das prozentuale Verhältnis von ermittelten Tatverdächtigen und angezeigten Fällen des Kindesmissbrauchs) liegt laut Kriminalstatistik bei ca. 75 Prozent und so leicht unter der durchschnittlichen Aufklärungsquote von etwa 80 Prozent. Maßgeblich dafür ist der hohe Anteil an angezeigten Sexualdelikten, bei denen der Täter dem Opfer gut bekannt war.



Den angezeigten Fällen stehen etwa 2.200 Verurteilungen gegenüber. Hauptursache hierfür ist der hohe Anteil exhibitionistischer Handlungen vor Kindern, zu denen nur relativ wenige Tatverdächtige ermittelt werden können. Berücksichtigt werden muss, dass Häufigkeitsangaben bei Inzidenzstudien nicht die tatsächliche Häufigkeit widerspiegeln: hinzu kommt ein Dunkelfeld durch diejenigen Fälle, die nicht zur Anzeige gebracht werden. Aufgrund der höheren Anzeigebereitschaft zeigen Inzidenzstudien eine höhere Gewichtung von Taten, bei denen entweder keine Vorbeziehung zum Tatverdächtigen bestand oder bei denen Gewalt angewendet wurde und eine geringere Gewichtung von Taten, die ohne Gewalt durchgeführt wurden bzw. bei denen eine Vorbeziehung zum Tatverdächtigen bestand.




Die Ergebnisse von Studien zeigen auf, dass etwa 2 bis 30 Prozent der weiblichen Bevölkerung in ihrer Kindheit bzw. frühen Jugend sexuelle Handlungen erlebt haben. Die Prävalenzen variieren sehr stark und hängen im Wesentlichen von den verwendeten Missbrauchsdefinitionen (Anwendung von Gewalt, Körperkontakt, Alter des Opfers, Altersunterschied zum Täter, Selbsteinschätzung) ab. Dabei zielen Prävalenzstudien vornehmlich auf nicht gewollte sexuelle Handlungen ab. Erhebungen über gewollte sexuelle Handlungen sind nahezu nicht anzutreffen; dies ist weiteren Forschungsaktivitäten vorbehalten.



Hohe Prävalenzraten sexueller Handlungen im Kindes- bzw. frühen Jugendalter sind vornehmlich bei Studien mit weit gefassten Missbrauchsdefinitionen zu f inden. Die methodisch exakteste Studie in der Bundesrepublik (Wetzels), bei der rund 3.200 Personen im Alter zwischen 16 und 59 Jahren befragt wurden, geht davon aus, dass 6,2 Prozent der Mädchen und 2 Prozent der Jungen unter 14 sexuelle Handlungen gegen ihren Willen erlebt haben. Unberücksichtigt blieben dabei exhibitionistische Handlungen. 7,3 Prozent der männlichen und 18,1 Prozent der weiblichen Befragten berichteten über sexuelle Handlungen gegen ihren Willen vor dem 18. Lebensjahr.



Missbrauchshandlungen



Die Polizeiliche Kriminalstatistik des Bundeskriminalamtes gibt Auskunft über die Missbrauchshandlungen der angezeigten Fälle sexuellen Missbrauchs (Hellfeld). Es ist davon auszugehen, dass aufgrund erhöhter bzw. verminderter Anzeigebereitschaft Taten von fremden Tatverdächtigen (z.B. Exhibitionisten vor Kindern) über- und Taten aus dem Nahfeld des Kindes unterrepräsentiert sind.



Etwa zwei Drittel der Missbrauchshandlungen der angezeigten Fälle fanden mit Körperkontakt und etwa ein Drittel ohne Körperkontakt statt. Bei den Fällen mit Körperkontakt entfallen etwa drei Viertel auf einfache sexuelle Handlungen mit einem Kind während ein Viertel der Handlungen mit Eindringen in den Körper des mutmaßlichen Täters oder Opfers (Beischlaf, intensives Petting, Zungenküsse) verbunden verbunden sind. Bei den angezeigten Fällen ohne Körperkontakt entfallen etwa zwei Drittel auf Exhibitionismus vor Kindern, das restliche Drittel bestand aus dem Vornehmen sexueller Handlungen von Kindern an sich selbst bzw. dem Vorzeigen pornografischer Darstellungen.



Der Anteil des sexuellen Missbrauchs zur Herstellung kinderpornografischer Schriften nimmt etwa 1,2 Prozent ein. Der sexuelle Missbrauch mit Todesfolge beträgt etwa 0,012 Prozent (2 Fälle) an der Gesamtzahl der Fälle sexuellen Missbrauchs.



Täter Klassifizierungen


Die Täter werden nach folgenden Typen klassifiziert:


Regressiver Typ


seine primäre sexuelle Orientierung ist auf Erwachsene gerichtet, er ist durch Kinder jedoch sexuell erregbar. Aufgrund der leichten Verfügbarkeit von Kindern, wegen nichtsexuellen Problemen sowie wegen Problemen mit erwachsenen Sexualpartnern greift er zur sexuellen Befriedigung auf Kinder zurück. Man spricht deshalb auch von einem Ersatzobjekttäter.



Fixierter Typ


er zeichnet sich durch seine primäre sexuelle Orientierung auf Kinder aus. Er ist durch Erwachsene sexuell nicht oder kaum erregbar. Es handelt sich um den klassischen Pädophilen.


Soziopathischer Typ


er zeichnet sich durch mangelnde Empathie für Opfer und bisweilen durch sadistische Neigungen aus. Die Sexualität dient ihm nicht primär zur sexuellen Befriedigung, sondern als Mittel zur Unterdrückung. In diesem Zusammenhang wird auch von einem sadistischen Typ gesprochen.



Bei den in Hell- und Dunkelfeldstudien untersuchten Fällen sexuellen Missbrauchs bestand eine Vorbeziehung zwischen Kindern und dem Täter. Bekannte machen etwa die Hälfte sowie Verwandte ein Fünftel der Täter aus. Väter als Täter sind in diesem Kontext eher selten auszumachen. Der Anteil sexuellen Missbrauchs, der von Vätern begangen wird, liegt zwischen 3 und 6 Prozent



Zwischen sozialer Nähe und der Intensität sexueller Handlungen besteht eine Beziehung. Die Anzahl, die Dauer und die Intensität der sexuellen Handlungen nimmt mit der sozialen Nähe zwischen Täter und Kind zu.



Geschlecht


Nach derzeitiger Sachlage bilden Männer etwa 85 bis 90 Prozent der Täter.


Alter


Häufigste Altersgruppe der mutmaßlichen Täter sexuellen Missbrauchs sind die 14-16jährigen, gefolgt von den 16-17jährigen. Mit zunehmenden Alter sinken die Belastungszahlen. Dabei zu beachten ist, dass der Straftatbestand des sexuellen Missbrauchs (§ 176 StGB) sowohl freiwillige wie unfreiwillige sexuelle Handlungen mit Kindern unter Strafe stellt.






©Thomas Eschle


http://www.rechtsanwalt-eschle.de/


Nickname 05.02.2008, 20.07

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