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Ein etwas anderer Lebenslauf

Der etwas andere Lebenslauf.......

Was tut man nicht alles, um sich als Kind die "Liebe" der Eltern zu erkämpfen?!

Nun,was daraus geworden ist, schreibt jetzt gerade diese Zeilen.

Vierzig Jahre hat es nun gedauert, bis ich meine komplette Vergangenheit erinnern konnte und die Ungewissheit, die ich immer im Bauch hatte, in eine zunächst einmal nüchtern-sachliche Tatsache der Gewissheit umwandeln konnte.

Ich will versuchen, die etwas anders gelebte und nach und nach in Erinnerung gerufene Chronologie zu schildern:

Durch extrem strenge, kontrollierende und lieblose Erziehung stellte ich in meiner Kindheit das Reden fast ganz ein und zog mich in mich selbst zurück. Bis auf Schule und Sport vermieden meine Eltern jeglichen Kontakt zur Außenwelt. Ich kannte kein unbeschwertes Spielen mit Gleichaltrigen und auch keinen Kindergarten. Ich wusste nur, wie man sich zu benehmen hatte, in Gesellschaft, bei Tisch, in der Schule, wusste, wo und wann ich Rücksicht zu nehmen hatte, kannte die 10 Gebote und lebte danach. Ich litt oft unter unerklärlichen Bauchschmerzen und Asthma. Die Ärzte konnten organisch aber nichts feststellen.


Eines allerdings habe ich schon als kleines Kind sehr vermisst: Echte Gefühle wurden offensichtlich nie wirklich gezeigt oder zugelassen, nicht zwischen meinen Eltern und auch uns gegenüber nicht. Kuscheln, lieb halten, umarmen, sagen „ich hab dich lieb“ waren Dinge, die wir nicht wirklich kannten. Höchstens ab und an von meinem Vater, das mir als Kind allerdings kein inniges und angenehmes Gefühl vermittelte.

Als ich fast zwölf Jahre alt war, wurde meine kleine Schwester geboren. Das einzige, was mir zunächst nur dazu einfiel, war, dass ich im Nachhinein nicht einmal sagen konnte, ob ich mich damals darüber gefreut habe oder nicht. Meine Eltern waren nie offen gewesen, was bestimmte Themen oder Gebiete der Gefühlswelt anbetraf. Und dazu zählte vor allem auch die Aufklärung oder eben die Geburt eines Kindes. Man sprach einfach nicht darüber. Ich war auch in keinster Weise vorbereitet und wusste ehrlich gesagt nicht viel mit diesem Baby anzufangen.Wir lebten zusammen und arrangierten uns.

Warum das alles so war, konnte ich nie erklären, denn meine Eltern haben, wie gesagt, nie über Gefühle gesprochen und schafften es somit, dass auch ich vermied, dergleichen zu tun. Ich weiß nur, dass meine Schwester mir später schon einmal ihr kleines Händchen reichte, wenn ich traurig war.

Erst als junge Erwachsene lernte ich durch meinen Mann, was es heißt, Freunde zu haben, Vertrauen aufzubauen, das ich zu meinen Eltern nicht hatte, und geliebt zu werden. Meine Kindheit verdrängte und verleugnete ich weitestgehend. So konnte ich ein scheinbar glückliches Leben führen.

Allerdings war es so, dass ich den körperlichen Kontakt zu meinem Mann nur sehr langsam aufbauen konnte, und das "erste Mal" endete in einer Ohnmacht meinerseits. Mein Mann war damals vollständig ratlos, aber auch ich hatte keine Erklärung dafür. Zum Glück war Sex nie das Wichitgste für ihn gewesen, was mir gottseidank die notwendige Zeit einbrachte, die ich dringend brauchte, um Vertrauen aufbauen zu können. Was wusste ich denn von Liebe??

Die Geburt unseres ersten Kindes war nur unter Peridualanästhesie möglich, und ich fühlte mich völlig hilflos.

Für meine Schwester hatte ich allerdings immer schon ein besonderes Verantwortungsgefühl, und da meine Mutter auch kein sonderliches Interesse an ihr zeigte, hab ich mich auch meist als Einzige um sie gekümmert. Und sie hing sehr an mir (was sich bis heute nicht geändert hat).

Das augenscheinliche Glück fand ein jähes Ende, als ich mit 34 Jahren von einem Fremden mehrfach vergewaltigt wurde. Wie betäubt hatte ich einfach alles mit mir geschehen lassen und mich nicht wehren können. Es riss mir den Boden unter den Füßen weg, aber ich verlor nie ein Wort darüber, versuchte meinen Schmerz und die Angst zu unterdrücken und machte alles wie schon immer mit mir alleine aus.

Zu groß waren Scham und Schuldgefühle und die Angst, vielleicht den geliebten Partner zu verlieren, wenn man die Wahrheit sagt. Mehr schlecht als recht ging also das Leben mit Mann und zu der Zeit zwei Kindern weiter.

Was ich damals noch nicht wusste, war, dass mein Vater mich zum Spielball eines Fremden noch Jahrzehnte später gemacht hatte.

Als ich dann acht Jahre später durch Zufall als diensthabenden Notarzt einen Homöopathen kennen lernte, spürte ich intuitiv, dass ich es mit seiner Hilfe schaffen konnte, die Vergangenheit aufzuarbeiten. Anfangs noch skeptisch, begab ich mich in die Hände der klassischen Homöopathie und begann eine Therapie mitten im Chaos der Gefühle und der Erinnerungen.

Gestärkt durch ein homöopathisches Konstitutionsmittel, verbunden mit gezielt geführten psychologischen Gesprächen fand ich langsam den Mut, zu reden und baute allmählich die Kraft auf, die Vergewaltigung zu verarbeiten. Ja, ich hatte im Laufe der Zeit sogar das Gefühl, alles ganz gut im Griff zu haben.

Unter der Therapie aber kamen nach und nach dann auch die fast vergessenen Erinnerungen an die Kindheit wieder, und ich wurde mir des jahrelangen sexuellen Missbrauchs durch meinen Vater bewusst.

Meine Welt schien erneut zusammenzubrechen.

Immer mehr kamen die Erinnerungen aus der Kindheit zurück, ohne dass ich es wirklich wollte. Aber konnte es denn sein, dass man Dinge soweit vergrub, dass sie für einen gar nicht mehr existierten?? Oh ja, es konnte!

Das, was mir von meiner Kindheit in Erinnerung geblieben war, hatte ich in wenigen Worten zusammenfassen können. An schöne Stunden oder Tage hatte ich überhaupt keine Erinnerung. Gefühle jeglicher Art fehlten in meinem Gedächtnis. Ganz im Gegensatz zu meiner "Schwester", die an die Grundschulzeit und die Zeit bis zu ihrem sechzehnten Lebensjahr angeblich viele schöne Erinnerungen hatte. Dann hatte sie eine Ausbildung begonnen und vieles in einem anderen Licht gesehen, vieles, was sie an der Erziehung meiner Eltern gestört hatte, und so gab es vieles, wogegen sie sich dann auflehnte. Im Gegensatz zu mir.

Vor Jahren hatte sie im Spaß einmal erwähnt, dass sie so anders aussähe und dass sie sicher nicht das Kind ihrer Eltern sei. Sie vergleicht sich aber immer mit meiner jüngsten Tochter. Vielleicht hat sie eine leise Ahnung. Aber wir haben nie wieder davon gesprochen.

Bis vor anderthalb Jahren hatte mich meine Kindheit eigentlich überhaupt nicht mehr groß interessiert und auch nicht beschäftigt, allerhöchstens oberflächlich. Und auf einmal wollte ich die ganzen Zusammenhänge kennen lernen. Ich musste hinter die Geheimnisse kommen, die sich noch hinter verschlossener Tür befanden! Meine Gedanken zerrten mich in eine bestimmte Richtung, der ich aber nicht folgen wollte. Und immer wieder erschienen in meinem Gedächtnis Bilder, die mich erschrecken ließen, die ich nicht wahrnehmen und zulassen wollte.

Zu den Bildern gesellte sich alsbald bruchstückhaft eine passende Geschichte.

Doch merkwürdigerweise hatte ich das Gefühl, als würde in dieser Geschichte jemand Anderes die Hauptrolle spielen und nicht ich selber.

Das Chaos in meinem Kopf war wieder einmal perfekt. Aber nach und nach kamen mir die Erinnerungen wieder in den Sinn, und wohl oder übel musste ich mich damit beschäftigen. Das homöopathische Mittel hatte mir mittlerweile die gewisse Grundstabilität gegeben, die mir auch die Möglichkeit gab, die Dinge an der Oberfläche zu halten, ohne dass ich sofort wieder den Kopf und die Kontrolle verlor.

Ein großer Auslöser meiner Erinnerungen war zusätzlich ein Besuch bei meinem Internisten zur Herzsonographie. Das Kontakgel löste plötzlich eine extreme Übelkeit bei mir aus, das Überbeugen des Arztes über meinen nackten Oberkörper während der Sonographie rief bei mir extreme Hilflosigkeit und Ausgeliefertsein hervor.

Und ich musste zunehmend erkennen, dass mein Vater der wirkliche Auslöser meiner ganzen Geschichte gewesen war!

Angefangen hatte es in meinem sechsten Lebensjahr mit Sreicheleinheiten, die immer weiter ausgedehnt wurden, gegen die ich mich vergeblich versucht hatte zu wehren, weil sie für mich gefühlsmäßig nicht einzuordnen waren.

Mit knapp zehn bekam ich meine Tage und mein Vater war glücklich, ein "großes Mädchen" zu haben. Hier begann der richtige sexuelle Missbrauch, der alles in mir tötete, was noch an Empfindungen da war. Ich war nur noch ein leerer Körper, der leblos umherschwirrte. "Erklärungen", ich dürfe es nie erzählen, ...es würde mir sowieso keiner glauben, ...Mama würde krank davon, wenn sie wüsste, dass er mich lieber hätte als sie, ...und ich wollte doch schließlich auch "Bescheid wissen", sonst würde mich nie jemand zur Frau haben wollen, ...ich wollte das doch auch alles, ...Drohungen mit Heim usw. brachten mich immer wieder dazu, JA zu sagen und ihm somit einen Freifahrtschein für sein weiteres Tun in die Hand zu geben. Zugedröhnt mit Valium und Schmerzmitteln ließ ich alles zu.

Doch als meine Tage schon sehr bald ausblieben, konnte mein Vater früh genug mit Tabletten und weitergeführtem Missbrauch eine Abtreibung herbeiführen.

Er hatte also mein Kind, meinen eigenen Bruder auf dem Gewissen! Mittlerweile hatte ich mich gedanklich so weit von all dem entfernt, dass ich keinerlei Empfindungen mehr wahrnahm.

Damit nicht genug, erneut wurde ich schwanger, aber durch eine längere Dienstreise meines Vaters war der Zug für eine weitere Abtreibung abgefahren. Ich bekam mit knapp zwölf zu Hause eine Tochter, meine Schwester.

Zwischenzeitlich einige Besuche bei unserem Zahnarzt, den man schließlich auch auf andere Weise "bezahlen konnte".

Mit fünfzehn der erste Suizidversuch, mit siebzehn der zweite. Aber ich hatte sowohl Angst zu leben als auch zu sterben.

Bis zu seinem Tod vor acht Jahren blieb ich immer in irgendeiner Weise abhängig von ihm. Und als er starb, empfand ich ein unglaubliches Gefühl der Freiheit, weil es den Auslöser meiner Geschichte nun nicht mehr gab.

In alten Unterlagen meines Vaters fand ich dann vor einigen Wochen noch eine Krankenhauseinweisung meiner Mutter zur Hysterektomie (Gebärmutterentfernung), versteckt in einem Umschlag mit einer Beschreibung eines alten TV-gerätes, datiert auf zwei Jahre VOR dem Geburtstermin meiner Schwester.

Mein Bauchgefühl und die unvollständigen Erinnerungen hatten sich nun bestätigt, dass meine Schwester in Wirklichkeit meine Schwestertochter war. Ja, ich erinnerte mich wieder ganz genau an das Bett, die Decke, meinen Körper, die Hebamme, und auch einige wenige Fotos aus der damaligen Zeit konnten dies bestätigen. Selbst die Gefühle kommen langsam zurück in Form von immer wieder auftretenden Unterleibskrämpfen, wenn ich auch nur daran denke.

Mit Hilfe der kleinen weißen homöopathischen Kügelchen aber und der leitenden Hand meines fantastischen Therapeuten hab ich nun die Höhen und Tiefen der Vergangenheit durchschritten. So wurde meine Konstitution jetzt so weit aufgebaut, dass ich in der Lage war, langsam aber sicher einen Weg zu finden, das Schweigen endgültig zu brechen, all das Schreckliche als gegebene Tatsache zu akzeptieren und so einen Weg zurück zu einem zufriedeneren Leben zu finden. Ich wurde wieder zum Kämpfer.

Ohne jegliche schulmedizinischen Medikamente habe ich depressive Phasen und psychosomatische Beschwerden überstanden. Hilflosigkeit, Verzweiflung und verlorener Lebensmut wurden mittlerweile abgelöst von Mut, Zuversicht und teilweise sogar zurück eroberter Lebensfreude.

Meine Schwestertochter, der ich in einem unseren vielen Gespräche fairerweise von dem sexuellen Missbrauchs unseres Vaters erzählt hatte, möchte aber von all meiner Vergangenheit nichts wissen, beteuert immer wieder, wie schön ihre Kindheit war. Vielleicht braucht auch sie noch Zeit ...

Meine Gefühle ihr gegenüber schwanken zwischen Liebe und Zuneigung, weil es mein eigenes Fleisch und Blut ist, aber auch zwischen Wut und Hass, weil die Erinnerungen noch zu weh tun. Dabei kann SIE am allerwenigsten dafür!

Zumindest haben wir einen einigermaßen "normalen" Kontakt und können nach längerer Funkstille wieder miteinander reden.

Sicher, ich bin immer noch ein wenig verkorkst, aber ich nehme es in Angriff, gehe meinen Weg mit dem Bewusstsein, dass mein Vater nun ein für alle Mal verloren hat .... Mein Doc und auch die Liebe meiner Familie haben mir immer wieder Mut gemacht, nicht aufzugeben, sondern weiter zu machen.

Und letztendlich auch die Arbeit von MELINA.

Ich wünsche allen ähnlich Betroffenen viel Kraft, Zuversicht und Mut, den richtigen Weg mit Achtsamkeit und Liebe gehen zu können, und wieder Vertrauen zu finden zu sich selbst und zu Anderen, die einem helfen können, das Wörtchen GLÜCK richtig definieren zu lernen.

M.S.



Nickname 14.04.2008, 19.17

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    Kategorie "Soziales Leben"