M.E.L.I.N.A e.V.

M.E.L.I.N.A Inzestkinder/Menschen aus VerGEWALTigung e.V. - DesignBlog

Blogeinträge (Tag-sortiert)

Tag: Inzestgeschwisterpaar

Umdenken - Naturgesetze achten!

Fäden, die am Leben hindern
Von Katja Faltinsky


Höchst. An Stellwänden im Höchster Jugend- und Kulturzentrum (Jukuz) sind Bilder aufgehängt: Eines zeigt den Körper einer Frau, eine Spitze deutet auf ihren entblößten Bauch. Von anderen Bildern blicken blasse Gesichter herab, scheinen im Schrei erstarrt zu sein. Es ist das Gefühl der Verletzung, dass der Psychotherapeutin Gisela Graf-Scheffl an diesen Bildern auffällt.

Um Verletzung geht es an diesem Abend immer wieder: Anlässlich des Weltfrauentags dreht sich die Diskussion im Jukuz um Tabus hinter verschlossenen Wohnungstüren. Zum „Umdenken“ haben die „Internationale Frauen-Selbsthilfegruppe“ und die „Selbsthilfegruppe Seelische und körperliche Gewalt in der Kindheit“ eingeladen. Psychotherapeutin Graf-Scheffl hat die Moderation übernommen. Sie hilft den Zuhörern, indem sie das Gehörte kommentiert und einordnet. Und sie hilft den Referenten bei der Diskussion über ihre mitunter sehr persönlichen Schilderungen.

Ulrike M. Dierkes, Autorin des Buches „Schwestermutter. Ich bin ein Inzestkind“, erzählt an diesem Abend ihre Geschichte: Ihre Mutter wurde von ihrem Vater seit dem siebten Lebensjahr missbraucht und mit dreizehn Jahren schwanger. So ist ihre Mutter auch ihre Halbschwester, ihr Vater gleichzeitig ihr Großvater. Die Schriftstellerin und Journalistin Dierkes, Jahrgang 1957, engagiert sich seit Jahren für Opfer von Inzest, 1996 hat sie den Verein „Melina Inzestkinder – Menschen aus Vergewaltigung“ gegründet.

Bei ihrem Vortrag im Jukuz legt Dierkes einen Schwerpunkt auf den Inzest, der mit innerfamiliärem Missbrauch zusammenhängt. Sie erklärt, dass ein solcher inzestuöser Missbrauch in jeder Gesellschaftsschicht auftreten könne. Sie selbst habe das Glück, geistig und körperlich unversehrt zu sein. In anderen Fällen hätten Inzestkinder mit schweren Schädigungen von Geburt an zu kämpfen. „Es gibt also Gründe, die Naturgesetze als Grenze zu achten“, sagt Dierkes. „Inzest ist eine Grenzüberschreitung.“

Die Diskussion an diesem Abend betrifft aber auch andere Opfer von häuslicher Gewalt und Missbrauch. Eine Teilnehmerin erzählt von der Arbeit der „Internationalen Frauen-Selbsthilfegruppe“ und betont, dass die Gewalt gegen Frauen in manchen Fällen nicht in der Kindheit ende, sondern sich im weiteren Leben fortsetze und auch die nächste Generation betreffen könne.

Im Zentrum der Diskussion steht die Hilfe für Betroffene. „Letzten Endes geht es um Heilung“, sagt die Psychotherapeutin Graf-Scheffl. „An diesem Abend soll es darum gehen, Mut zu machen, einen eigenen Weg zu finden.“ Einen allgemeinen Weg zur Heilung, den gebe es nicht. Tatsächlich zeigt der Themenabend im Jukuz, wie unterschiedlich diese Wege sein können.

Michael Dietz von der „Selbsthilfegruppe Seelische und körperliche Gewalt in der Kindheit“ trägt das Gedicht einer jungen Frau vor: Es erzählt von dem Gefühl, von der eigenen Familie als deren Marionette und Eigentum behandelt zu werden. Die Autorin schreibt von „Fäden, die sie hinderten am Leben“ – und von ihrem eigenen Weg, diese Fäden zu durchtrennen.

Auch die Malerin, die an diesem Abend ihre Bilder zeigt, ist ein Opfer von Gewalt in der Kindheit. Nel Anders nennt sie sich, ein Künstlername. Auf einem Handzettel ist nachzulesen, wie ihr die Malerei geholfen hat, das Erlebte zu verarbeiten. Erst später habe sie eine Therapie begonnen. „Heute habe ich einen gewissen Abstand zu meinen Bildern gewonnen“, schreibt sie. „Sie erzählen einen Teil meines Lebens, aber sie sind nicht mehr mein Leben.“

Nickname 10.03.2008, 20.02 | (0/0) Kommentare | PL

Kontakt:

Tel.:0261-94109115- Melina.eV (at)t-online.de

Spendenkonto: DE69 6005 0101 0002 7048 23

SOLADEST600
Letzter Freistellungsbescheid: 12.01.2024

   

   

   

   
    Mehrere Jahre in Folge erhielt unser Verein die
    Urkunde "Echt gut!" Baden-Württemberg in der
    Kategorie "Soziales Leben"